Chester Rock

 

Kurzbeschreibung:

Michael findet sich plötzlich in einer ihm fremden Umgebung wieder.
An diesem Ort sollte er nicht sein.
An diesem Ort sollte kein Mensch sein.
Ein illegaler Test an einem Teilchenbeschleuniger in Sofia lässt die Messstationen weltweit verrücktspielen. Drei Mitarbeiter einer IT-Firma, die sich in diesem Moment in dem Forschungsinstitut befinden, verschwinden spurlos.
Wenige Zeit später erfährt der Angestellte Martin Luber in München von dem vermeintlichen Tod seiner drei Freunde und Kollegen. Wäre da nur nicht dieses bizarre Foto, das ihm sein verschollener Freund Michael in diesem Augenblick auf sein Handy sendet.     
        



Auszug:

Kapitel 1 - Luber

 

Es klingelte.

Es hörte einfach nicht auf. Er war selber schuld, denn er hatte vergessen, den Anrufbeantworter zu aktivieren. Die Nummer auf dem Display des Telefons schnitt aggressiv fordernde Fratzen. Nicht dass das Telefon dies immer täte, wenn er nicht doch schon die Nummer des Inkassobüros erkannt hätte. Und nein, er bildete es sich nicht ein, dass Display schnitt eine schreckliche, strenge Grimasse. Er atmete durch, befeuchtete seine Lippen wie ein Rockstar, der nun auf die Bühne des Olympiastadions mit Pyrotechnik und Nebelschwaden von unten hochgeschossen wird und die grölende Menge von 71.500 Fans rocken würde.

»Ladiiies and Gentlemeeeen«, röhrte es durch die mächtigen Lautsprecher des Stadions, »ARE YOU READY?? ... Live on stage ... You wanted the best, you get the best!! HE WILL KICK YOUR ASS ... PLEASE WELCOME:«

»Martin Luber, hallo?«, krächzte er mit unsicherer Stimme ins Telefon und rockte den Hörer.

»Herr Luber, hier spricht Gisela Martens von Inf...«

»Hallo, ich weiß, warum Sie anrufen, Frau Martens. Das Geld sollte nächste Woche angewiesen werden. Leider hatte ich einen Zahlendreher in der Überweisung und der Betrag wurde zurückgebucht.«

Ruhe.

Martin hörte Frau Martens tippen, atmen, doch sie sagte kein Wort. Sein geniales und strategisch gut ausgeklügeltes Geplapper schien richtig gut ... danebenzugehen.

»Herr Luber, ich leite das jetzt weiter. Bis Ende der Woche sollten Sie einen gerichtlichen Mahnbescheid bekommen. Viermal habe ich Ihnen die Frist verlängert. Ich kann nichts mehr für Sie tun. Alles Gute.«

Das Gespräch war beendet. Der Applaus und die Zugaberufe aus dem Olympiastadion hallten so lange nach, wie er mit seinen elf Kilogramm Übergewicht sprinten konnte. Und wie es bei allen Rockstars am Ende eines erfolgreichen Gigs ist, fiel auch Martin Luber in ein Loch der Einsamkeit und Verzweiflung. Ohne das Umschwärmen, ohne den Kick auf der Bühne des Lebens. Fakt war, dass er mit dem Rücken zur Wand stand.

Ein Mann in den Dreissigern mit einer wundervollen Frau, optisch zumindest, die in der Finanzbuchhaltung desselben Unternehmens arbeitete und ihn mit dem gemeinsamen Chef betrog. Zumindest sparten sie sich Tag für Tag die Fahrtkosten. Der allmorgendliche Wahnsinn begann jeden Tag gleich. Martin brauchte im Bad mit seinen zehn Minuten natürlich zu lange und hielt das Styling seiner Angebeteten auf. Danach folgte die unheimlich charmante Begutachtung seiner Kleidung, meist mit den Worten »DAS Hemd willst du anziehen? Na ja ...«, gefolgt von einem gekonnten Augenrollen, einem leisen Schnaufen, das eher einem Zischen glich, und dem schnellen Umdrehen und Abgang in das endlich geräumte Badezimmer.